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„Das trifft uns sehr hart“: Gespräch mit Heiner Distel über Volksfeste und Corona

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Von: Christopher Göbel

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Distels Autoscooter, der seit Jahrzehnten auf den osthessischen Volksfesten präsent ist.
Distels Autoscooter, der seit Jahrzehnten auf den osthessischen Volksfesten präsent ist. © Göbel

Alsfelder Pfingstmarkt und Lauterbacher Prämienmarkt sind abgesagt. Wie sieht es mit dem Fuldaer Schützen-Volksfest und dem Lullusfest aus? Wir sprachen mit dem Schausteller Heiner Distel.

Osthessen - In München ist das Oktoberfest abgesagt worden, in unserer Region werden der „Alsfelder Pfingstmarkt“ und der Lauterbacher „Prämienmarkt“ definitiv in diesem Jahr nicht stattfinden. „Fulda aktuell“ sprach mit dem Schausteller Heiner Distel. Dieser ist auch Generalunternehmer des Fuldaer „Schützen- und Volksfestes“ und auch beim Bad Hersfelder „Lullusfest“ aktiv.

Schausteller Heiner Distel.
Schausteller Heiner Distel. © Göbel

Fulda aktuell: Wie ist die Lage der Schausteller seit Beginn der Coronakrise allgemein?

Heiner Distel: Die Schausteller sind in einer sehr misslichen Situation. Unsere letzten Umsätze konnten wir auf den Weihnachtsmärkten generieren, und wir haben uns auf einen planmäßigen Start in die Saison ab April eingestellt. Als die ersten Veranstaltungen abgesagt wurden – bei uns war das das „Würzburger Frühjahrsvolksfest“ am 12. März, waren wir noch sehr optimistisch, dass im Laufe der Saison – spätestens zu Pfingsten – wieder Volksfeste durchgeführt werden. Wie man jetzt sieht hat sich die Lage drastisch geändert.

FA: In der Region wurden bereits Volksfeste abgesagt. Was bedeutet das für Sie als Schausteller?

Distel: Die Absage des „Alsfelder Pfingstmarktes“ und des „Lauterbacher Prämienmarktes“ hat die Kollegen sehr hart getroffen. Beide Veranstaltungen gehören zu den lukrativen Volksfesten in der Region. Somit fallen die Umsätze die dort getätigt werden, komplett und ersatzlos weg. Wir als Veranstalter haben hierfür einige Vorlaufkosten, auf denen wir jetzt sitzen werden, denn die Standgelder müssen wir an die Kollegen zurückführen.

FA: Rechnen Sie damit, dass auch das „Fuldaer Schützen- und Volksfest“ abgesagt wird? Welche Bedeutung hätte das für die Stadt Fulda und die Schausteller?

Distel: In der momentanen Situation sieht es nicht besonders gut für das diesjährige Schützenfest aus. Auch die Anordnung der hessischen Landesregierung keine Großveranstaltungen bis 31. August abhalten zu dürfen, trägt dazu bei. Wir werden aber mit Entscheidung noch warten, da wir auch kurzfristig reagieren können und weiterhin auf ein kleines Wunder hoffen. Es sind noch drei Monate bis dahin. Wenn man sieht was alles in den letzten drei Monaten geschehen ist, kann alles möglich sein. Eine Absage würde sicherlich ein großes Loch im Veranstaltungskalender der Stadt hinterlassen. Ich denke, nicht nur die Schausteller, sondern auch unsere Besucher würden dieses Highlight vermissen.

FA: Gibt es auch schon Überlegungen, das „Lullusfest“ im Oktober in Bad Hersfeld abzusagen?

Distel: Bis heute habe ich noch keine Hinweise von der Stadt Bad Hersfeld, die ja der Veranstalter ist, bekommen. Aber ich denke, auch hier sollte man die weitere Entwicklung abwarten und keine vorschnellen Entschlüsse tätigen. Bis dahin sind es immerhin noch über fünf Monate.

FA: War die Absage des Münchner Oktoberfestes der „Startschuss“ für eine flächendeckende Absage von Volksfesten in diesem Jahr? Wie lange können Sie als Schausteller-Betrieb ohne Einnahmen „überleben“?

Distel: Natürlich steht das „Münchner Oktoberfest“ im Fokus der Medien, und eine Absage dieser einzigartigen Großveranstaltung hat eine gewisse Signalwirkung. Jedoch kann man das Münchner Oktoberfest in keiner Weise mit irgend einer anderen Volksfestveranstaltung vergleichen. Wie lange Schausteller ohne Umsätze überleben können, wird sehr unterschiedlich sein. Viele Kollegen haben in den letzten Jahren viel investiert und haben deshalb auch hohe Verpflichtungen. Grundsätzlich wirtschaften die Schausteller aber immer vorsichtig, denn mit einer schlechten Saison wegen des Wetters oder der Absage einer Veranstaltung kann man noch leben. Aber wer rechnet schon damit, dass eine ganze Saison ausfällt?

FA: Gibt es staatliche Hilfen für Schausteller, die aufgrund der Coronakrise unter Einnahmeeinbußen leiden?

Distel: Ja, es gibt auch für die Schausteller eine Soforthilfe. Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem was heißt „Sofort“-Hilfe? Manche Kollegen haben diese vor einem Monat beantragt und warten immer noch auf eine Auszahlung.

FA: Was bedeutet die Coronakrise für Sie selbst und Ihre Familie?

Distel: Mir persönlich geht es in diesen Tagen sicherlich wie vielen Selbstständigen und Betroffenen. Jeden Morgen frage ich mich, wann der Albtraum endlich zu Ende ist. Der Zusammenhalt in der Familie ist die große Stütze.

Ich führe mit meinem Sohn unseren Familienbetrieb bereits in der fünften Generation. Wir dürfen mit einem gewissen Stolz auf unsere Leistung und die unserer Vorfahren zurückblicken. Umso mehr hat uns aber die Aussage des Gesundheitsministers Jens Spahn bis ins Mark getroffen, das unsere Volksfeste am „verzichtbarsten“ seien. Wir alle lernen gegenwärtig ein Leben des Verzichts kennen. Gewohntes, Vertrautes und Geliebtes muss hintanstehen, um Zeit zu gewinnen – aus diesem gesellschaftlichen Konsens nehmen wir uns nicht aus.

Dass wir von Spahn jedoch zu einer Branche degradiert werden, die langfristig am verzichtbarsten sei, weisen wir mit Entschiedenheit zurück! Diese respektlose Abqualifizierung unserer Volksfeste und damit auch unserer Arbeitsplätze und unserer Leistung ist verletzlich und empört uns zutiefst.