Der Fuldaer Dekan Bengt Seeberg im Reformationsgespräch bei „Fulda aktuell“
mit Bertram Lenz und Christopher Göbel. © Schmidt
Fulda - Luther und die Reformation – im „Lutherjahr 2017“ kommt kaum jemand
an dem Thema vorbei. Grund genug für die Redaktion von „Fulda aktuell“, den
Fuldaer Dekan Bengt Seeberg einzuladen und mit ihm über Martin Luther und
das Reformationsjubiläum zu sprechen. „Ich finde es gut, dass der
Reformationstag in diesem Jahr ein Feiertag ist“, sagt Seeberg, der seit dem
1. Oktober 2000 Dekan des Kirchenkreises Fulda und Pfarrer an der
Christuskirche ist. Mit der Reformation habe sich eine Umwälzung der Welt
ergeben. „Unsere Welt wäre ohne die Reformation nicht so, wie sie heute
ist“, sagt Seeberg voller Überzeugung.
"Ein Mensch seiner Zeit"
Luther sei ein Wegbereiter unserer heutigen Welt, und darum sei es „die
beste Gestaltung des Reformationstages, einen evangelischen oder
ökumenischen Gottesdienst zu besuchen“. Martin Luther selbst ist laut
Seeberg den Menschen von heute fremd. „Er war ein Mensch seiner Zeit und hat
beispielsweise fest an die Existenz des Teufels geglaubt.
Der Teufel war damals eine bestimmende Macht im Leben der Menschen.“
Trotzdem sei Luther eine der zentralen Figuren, an der sich die evangelische
Kirche bis heute orientiert. „Luthers Charakter ist mir nicht wichtig“, sagt
Seeberg. Bedeutsam für ihn seien die Aussagen, die der Reformator tätigte.
„Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe“ ist ein Luther-Zitat, das
Seeberg persönlich bewegt. Für den Dekan zählen die Weite von Luthers
theologischem Denken und dessen sprachliche Kompetenz. „Viele Sätze aus
unserem heutigen Sprachgebrauch stammen von Luther, ohne dass wir das
wissen.“
Kein Personenkult
Im Reformationsjahr hat sich ein regelrechter Luther-Hype entwickelt. „Ich
halte das nicht für schädlich, auch wenn es Luther nicht um den Kommerz
ging. Als er seiner Enkelin einen „Playmobil“-Luther schenkte, sagte
diese: „Opa, was ist das denn für ein Schornsteinfeger?“ Luther selbst habe
keinen Kult um seine Person gewollt. „Er wollte kein Heiliger sein. Es ging
ihm um die Sache, nicht um seine Person. Er wollte Gott groß machen“, so
Seeberg. Die evangelische Kirche insgesamt steht laut dem Dekan heute „auf
dem Boden des Evangeliums und der Schrift“. Sie ist immer in Bewegung und
muss Strömungen wie der Säkularisierung entgegenwirken. „Es scheint viele
Menschen zu geben, die ohne Gott durchs Leben gehen. Unsere Aufgabe ist es,
diese Menschen zurückzuholen und andere in der Kirche zu halten“, sagt
Seeberg. Diese Aufgabe liege vor beiden christlichen Kirchen. Das
Reformationsjahr sei eine gute Gelegenheit, bei der Ökumene
weiterzukommen. „Die Ökumene ist eine Erfolgsgeschichte“, so der Dekan. „Wir
haben das Jubiläum im Rahmen der Möglichkeiten ökumenisch angelegt.“
Thesen von 2017
Das Stück „Luther – Der Anschlag“ bei den diesjährigen „Bad Hersfelder
Festspielen“ hat Seeberg selbst nicht gesehen. Aber im Gesprächs sagte mir
jemand, der das Stück gesehen hat, dass er tief beeindruckt gewesen sei. Er
habe sich zuvor über die Person Luther und dessen Ambivalenz noch keine
Gedanken gemacht, so der Festspielbesucher. „Es hat diesen Menschen zum
Nachdenken angeregt“, erzählt Seeberg. Aus der Sicht des Fuldaer Dekans
könnten im Übrigen heute zwei Thesen an Kirchentüren genagelt werden: An die
Welt würde Luther die Worte „Wacht auf aus eurer Gottvergessenheit“ richten,
an die Kirche von heute „Verliert euch nicht in Strukturdebatten, sondern
orientiert euch an der Bibel und am Evangelium“.
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Luther und Musik
Kirchenmusikalische Betrachtung des Reformators
Von SEBASTIAN BETHGE
Fulda/Bad Hersfeld - Martin Luthers Bedeutung für die Kirchenmusik ist aus
vielerlei Gründen immens. Zum einen schätzte er die Musik selber
außerordentlich hoch ein: „Denn wir wissen, dass die Musik auch den Teufeln
zuwider und unerträglich sei. Und ich sage es gleich heraus und schäme mich
nicht, zu behaupten, dass nach der Theologie keine Kunst sei, die mit der
Musik könne verglichen werden, weil allein dieselbe nach der Theologie
solches vermag, was nur die Theologie sonst verschafft, nämlich die Ruhe und
ein fröhliches Gemüte.“
Was aber, wenn Musik und Theologie zusammenkommen? War es vor der
Reformation verbreitet, dass im Gottesdienst nur Chöre sangen und das Volk
lauschte, war es Luther wichtig, dass das Volk selber singt und zwar in der
Muttersprache: „Darum haben die heiligen Väter und Propheten nicht vergebens
das Wort Gottes in mancherlei Gesänge, Seitenspiele gebracht, davon wir
köstliche Gesänge und Psalmen haben, welche sowohl mit Worten als auch mit
Gesang und Klang die Herzen der Menschen bewegen.“
Außerdem war Luther das Singen aus pädagogischen Gründen wichtig: „Wiederum
bezeugt die Schrift, dass durch die Musica der Satan, welcher die Leute zu
Untugend und Laster treibt, vertrieben werde“. Aber nicht nur in dem Sinne
von „Wer singt, trinkt und klaut nicht“, sondern vor allem sollten die
Menschen über theologische Lehrlieder, deutsche liturgische Gesänge,
biblische Erzähllieder und mehr religiös gebildet werden.
Die Bedeutung und den Raum, den Luther der Musik gegeben hatte, gab Dichtern
und Komponisten ein großes Spielfeld künstlerischer Betätigung und sorgte
dafür, dass bis ins Barock hinein die bedeutendsten Musiker einen
gewichtigen Teil ihres Ouvres der protestantischen Kirchenmusik widmeten –
etwa Johann Sebastian Bach und Heinrich Schütz. Einen Teil der Auswirkungen
kann man im Konzert am 5. November in der Bad Hersfelder Stadtkirche hören
(siehe nebenstehenden Kasten).
Mit zu der kirchenmusikalischen Entwicklung trug auch Johann Walter bei, der
Gründer unseres evangelischen Kantoreiwesens. Übrigens: Der evangelische
Theologe Friedrich Spitta sah die Rettung von der der schwindenden Bedeutung
der evangelischen Kirche im 19. Jahrhundert darin, dass die Kirche wie in
den Jahrhunderten davor die bedeutenden Komponisten für sich gewinnen müsse.
Zu dem ernsthaften Versuch ist es allerdings nie gekommen.
Luther war selber wohl ein sehr guter Sänger und Lautenspieler. Es gibt
Lieder, für die er nicht nur Texte schrieb, sondern auch Melodien.
Beispielsweise mit „Vom Himmel hoch“ ist eine Motette vom ihm überliefert,
die aber – so ich es recht in Erinnerung habe – nicht allzu geschickt
komponiert ist.
Musik und Theater
Bad Hersfeld. In der evangelischen Stadtkirche Bad Hersfeld findet am 5.
November um 17 Uhr ein Konzert unter dem Titel „Faszination Luther“ statt.
Beteiligt sind die Hersfelder Kantorei, der Posaunenchor des „CVJM“ Bad
Hersfeld, die „Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt“ und als
Schauspieler die „Sommernachtsträumer“. Die Gesamtleitung hat Bezirkskantor
Sebastian Bethge. Vokalsolisten sind Annika Rioux (Sopran) und Andreas
Gensch (Bass).
Thema: Luther
Auf dem Programm stehen unter anderem Werke von Johann Sebastian Bach, Felix
Mendelssohn Bartholdy, Heinrich Schütz sowie des Zeitgenossen Luthers,
Johann Walter. Der Eintritt kostet 18 Euro an der Abendkasse. Weitere
Informationen gibt es unter www.hersfelder-kirchenmusik.de im Internet.