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Klartext: Die musikalische Beliebigkeit beim ESC

Erstellt: 

Von: Christopher Göbel

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Über das, was beim "Eurovision Song Contest" abgeliefert wurde, schreibt Redakteur Christopher Göbel.

Ich muss zugeben, dass ich nicht sehr oft auf Live-Konzerte großer Künstler gehe. Ich kann also nicht sagen, wie manche Stars in echt klingen, wenn man sie sonst nur von der Studio-Konserve hört. Madonna hat beim „Eurovision Song Contest“ vorgemacht, wie es klingen kann, wenn keine Technik hilft und scheinbar auch keiner eingreift.

Ob sie sich damit einen Gefallen getan hat, vermag ich auch nicht zu sagen. Was sie – wieder einmal – geschafft hat: Die Welt redet über sie. Nicht wegen blanker Brust oder lesbischen Küssen, sondern wegen ihres Gesanges. Manch’ einer in sozialen Netzwerken hat schon das Ende der Pop-Queen beschworen, andere haben schon immer gewusst, dass Madonna „keine große Sängerin“ sei. Ich weiß nur, dass es sehr gewöhnungsbedürftig war, was sie vor 200 Millionen Fernsehzuschauern abgeliefert hat. War es Absicht? Auf ihrem „Youtube“-Kanal klingt die Szene plötzlich ganz anders. Zwar immer noch nicht wie frisch aus dem Studio, aber zumindest ist „Like a Prayer“ nun erkennbar. Und man kann es anhören, ohne dass sich einem die Fußnägel kräuseln.

Musikalischer Einheitsbrei

Was gesangstechnisch beim „ESC“ geboten wurde, war nicht die Crème-de-la-crème des Euro-Pop. meiner Meinung nach jedenfalls. Einheitsbrei, beliebige Melodien und teilweise auch beliebige Sänger. Eines hatte übrigens Serhat, der mit „Say Na Na Na“ für den Winzstaat San Marino an den Start ging, mit Madonna gemeinsam: Nicht jeder Ton saß dort, wo er hingehört hätte. Imposant fand ich die Schwebe-Vorführung der Australierin Kate Miller-Heidke, die auf einer Fünf-Meter-Stange die Schwerkraft zu überwinden schien und dennoch ein bisschen wie die Königin der Nacht trällerte. Das Lied war allerdings für mich gewöhnungsbedürftig.

Im Gedächtnis sind mir noch die Dänin Leonora und „Hatari“ aus Island mit dem "Rammstein-Modern-Talking"-Mix geblieben. Und Bilal Hassani, der mit der mutigen und übergewichtigen Ballerina aufgetreten ist. Gewonnen hat keiner von denen.

Gewonnen hat Duncan Lawrence mit „Arcade“. Auch das ein Song, an den ich mich schon vor dem ersten Schnelldurchlauf nicht mehr erinnern konnte. Was die Schwestern betrifft, die für Deutschland an den Start gingen, so denke ich, dass sie in der Beliebigkeit untergingen. Kandidaten, die in deutschen Sing-Shows rausfliegen, scheinen auf internationalem Parkett noch weniger bestehen zu können.

Lieder, die zu Herzen gehen

Früher sollte es beim „Grand Prix d’Eurovision de la chanson“ um Musik gehen. Um Lieder, die die Herzen der Menschen ansprachen. Heute ist es eine Effekt-Show, bei der die Sänger im Vordergrund stehen und die Musik nach den Videoeffekten erst die dritte Geige spielt. Das ist schade. Und ich verstehe diejenigen Sängerinnen und Sänger, die den „ESC“ meiden. Denn diejenigen deutschen Sänger, die nicht gewonnen haben (und davon gab es sehr viele), verschwinden sehr schnell im musikalischen Nirwana. Oder sagen Ihnen Ann Sophie, Roman Lomb, „Sürpriz“ oder „Mekado“ etwas?

Früher gab es noch Stars, denen die Musik wichtig war. Nicole, Udo Jürgens, „Münchner Freiheit“, Mary Roos, Katja Ebstein, Gitte, Dschingis Khan und Roger Cicero waren auch mal dabei. Und deren Lieder haben sich in mein Gedächtnis geschrieben. Aber was da heute abgeliefert wird, verschwindet meist verdient im Nichts.