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Klartext: Impfpflicht durch die Hintertür?

Erstellt: Aktualisiert: 

Von: Christopher Göbel

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Redakteur Christopher Göbel
Redakteur Christopher Göbel © Göbel/Pixabay

Redakteur Christopher Göbel zu Lockerungen für Corona-Geimpfte und -Genesene

Grundsätzlich befürworte ich Lockerungen für Geimpfte und Genesene, wie sie diese Woche von Regierung, Bundesrat und Bundestag beschlossen wurden. Grundsätzlich. Aber ich sehe eine Menge Probleme auf uns zurollen, denn die Umsetzung der Lockerungen sehe ich sehr kritisch.

Zum Einen: Noch hat unser Staat es nicht geschafft, eine fälschungssichere digitale Variante eines Impf- oder Genesenen-Ausweises auf den Weg zu bringen. Die gelben Heftchen lassen sich leicht fälschen und wer genügend kriminelle Energie hat und vielleicht auch noch querdenkt, wird sich so etwas beschaffen.

Zum anderen: Wer soll überprüfen, ob diejenigen, die irgendwann in Cafés sitzen oder durch Museen wandeln, vollständig geimpft oder genesen sind? Und was ist mit denen, die sich schon jetzt nicht an Regeln halten? Die Zahl der „Türsteher“ müsste siginifikant erhöht werden und die Frage bleibt, ob die durch die Coronakrise schwer gebeutelten Gastronomie- und Kulturbetriebe solche zusätzlichen Sicherheitskräfte einstellen können.

Dann sind da ja auch noch die Erst-Geimpften. Deren Schutz gegen das Virus ist zwar noch nicht vollständig, liegt aber immerhin um die 60 Prozent. Dürfen die dann auch mehr als diejenigen, die überhaupt nicht geimpft sind? Beim Vakzin von „Astra-Zeneca“ liegen immerhin drei Monate zwischen der ersten und der zweiten Impfung. Und drei Monate können lang sein.

Eigentlich haben wir eine Drei-Klassen-Gesellschaft, für die unterschiedliche Regeln gelten müssten. Mir kam der Gedanke, dass durch die Lockerungs-Beschlüsse der Politik eigentlich eine Impf-Pflicht durch die Hintertür geschleust werden könnte. Wenn nur Geimpfte wieder ein „normales“ Leben führen dürfen, andere aber nicht, dann wird sich vielleicht auch der letzte Querdenker und Impf-Verweigerer die Spritze setzen lassen.

Die Impf- und Priorisierungsstrategie des Bundes war aus meiner Sicht nicht ideal. Natürlich sollen die Gefährdetsten, also Alte und Kranke, zuerst geschützt werden. Aber die 20- bis 60-Jährigen sind diejenigen, die am meisten draußen unterwegs sind, am meisten einkaufen, arbeiten, soziale Kontakte pflegen wollen. Ich denke, dass wir weniger Coronakrise hätten, wenn die mobilsten unter uns auch zu denjenigen gehört hätten, die frühzeitig immunisiert worden wären.

Was die Lockerungen betrifft: Die beziehen sich ja zunächst auf Ausgangssperren und Treffen. Doch wer will kontrollieren, ob wirklich alle vollständig geimpft oder genesen sind? Wird ein Gastgeber von seinen Freunden den Impfpass fordern?

Wenn noch dazu Geimpfte und Genesene gleichgestellt werden: Könnte man sich dann nicht einfach irgendwo infizieren, wenn man der Spritze entgehen möchte? Ich weiß, das ist sehr polemisch, aber die Möglichkeit würde bestehen. Zumindest hätte man mehr Freiheiten, wenn man Corona überlebt...

Nein, im Ernst: Ich bin der Meinung, dass für uns gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger auch gleiche Berechtigungen gelten sollten. Aber im September ist Bundestagswahl. Und außer Angela Merkel haben Viele viel zu verlieren.