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Bischof Heinz Josef Algermissen im Redaktionsgespräch: "Der Friede fehlt"

Erstellt: 

Von: Christopher Göbel

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Fuldas Bischof Algermissen sprach mit der Redaktion von FULDA AKTUELL im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt.

Bischof Algermissen im "Fulda aktuell"-Redaktionsgespräch.
Bischof Algermissen im "Fulda aktuell"-Redaktionsgespräch. © Schmidt

Fulda - Heinz Josef Algermissen wollte nach dem Abitur zunächst Mediziner werden. Doch er entschied sich um und studierte zunächst Philosophie in Freiburg. „Irgendwann sagte einer meiner Professoren zu mir, ob nicht die Theologie meine zentralen Menschheitsfragen besser beantworten könne“, erzählt der Bischof beim Redaktionsbesuch in den Verlagsräumen von „Fulda aktuell“. So sei er, der aus einer Familie mit vielen Juristen und Theologen stammt, zum Studium der Katholischen Theologie gekommen.

Rücktrittsgesuch eingereicht

Im kommenden Jahr kann der gebürtige Trierer Algermissen, der seit Juni 2001 Bischof von Fulda ist, sein 50-jähriges Priesterjubiläum feiern. Zu seinem 75. Geburtstag hatte der Bischof – wie es in der katholischen Kirche üblich ist –, sein Rücktrittsgesuch bei Papst Franziskus eingereicht. „Ich bin allerdings schon seit drei Monaten 75 Jahre alt“ sagt er. Algermissen wird auch als emeritierter Bischof in Fulda bleiben. Seine neue Wohnung liegt in Sichtweite des Bischofssitzes im Herzen der Domstadt. „Nach meiner Emeritierung wird die Stelle des Bischofs von Fulda zunächst vakant bleiben“, sagt Algermissen. Ein Diözesanverwalter übernimmt dann die Amtsgeschäfte – allerdings ohne tatsächliche Entscheidungsbefugnisse. Nach einem mehrere Monate dauernden Procedere wird ein neuer Bischof gewählt. Bis dahin können nach Algermissens Emeritierung bis zu zehn Monate vergehen. „Manchmal geht es auch schneller“, sagt er. Wenn des Bischofs letzter Tag im Amt vorbei ist, wird er sich erst einmal mit der „Sortierung des eigenen Lebens“ beschäftigen. Der Umzug in die neue Wohnung steht dabei an erster Stelle. „Ich habe in den vergangenen Monaten Kubikmeterweise Papier aussortiert“, erzählt der Bischof. „In meiner neuen, kleineren Wohnung werde ich nicht mehr soviel ansammeln“, meint er. Bücher lesen und Reisen unternehmen – das steht noch auf seinem Programm. „Ich möchte einmal nach Taizé fahren und habe auch einige Einladungen von afrikanischen Bischofskollegen“, erzählt Algermissen.

Als Heinz Josef Algermissen 2001 nach Fulda kam, hatte er bereits eine ansehnliche kirchliche Laufbahn hinter sich. 1969 empfing er im Paderborner Dom die Priesterweihe. Er war anschließend Kaplan in Bielefeld und Meschede und Studentenseelsorger an der Universität Paderborn. 1980 begann er als Pfarrer, später Dechant, in Bielefeld-Schildesche, ehe er 1996 von Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof in Paderborn ernannt wurde. Fünf Jahre später wurde er vom selben Papst zum Bischof von Fulda ernannt. „Wenn die Menschen merken, dass man sie gern hat, dann kommen sie mit geöffneten Armen auf einen zu“, erinnert sich der Bischof. Ihm sei aber auch klar gewesen, dass manche Fuldaer dachten: „Was will denn der aus Westfalen hier?“.

Viel Überzeugungsarbeit

„Als ich nach Fulda kam, fragte ich mich: Was braucht diese Diözese von dir?“, erinnert sich der Bischof. „Ich kam mit den Augen eines Fremden hierher und bemerkte sehr schnell, dass Fulda anders katholisch war als Paderborn.“ Er glaubte damals, dass „Fulda einen Aufbruch“ brauche. Doch nachdem Bischof Johannes Dyba 2000 im Amt verstorben war, mussten nach Algermissens Amtsantritt ein knappes Jahr später einige Entscheidungen getroffen werden. „Ich kam in ein solide aufgestelltes Bistum“, erinnert er sich. „Aber ich musste einige Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Algermissen. Man könne nichts erreichen, wenn nicht alle Mitarbeiter mitzögen. Aufgrund der strukturellen Veränderungen in der katholischen Kirche, hier sei der Schwund der bekennenden Christen genannt, nahm Algermissen seinen „Pastoralen Prozess“ in Angriff, der zur Folge hatte, dass das Bistum Fulda, das sich von Nordhessen über Marburg im Westen und Geisa im Osten bis nach Frankfurt erstreckt, in 48 Pastoralverbünde gegliedert wurde. „Die Gemeinden blieben selbstständig, aber arbeiteten in einem verbindlichen Bund zusammen“.

„Das macht mich traurig“

Mit der schwindenden Zahl der Mitglieder ist auch die katholische Kirche gezwungen, Geld zu sparen. Zum Ende seiner Amtszeit arbeitete Algermissen etwas Ähnliches aus: „Wir müssen darüber nachdenken, welche Fusionen bis zum Jahr 2030 gebildet werden müssen“, sagt er. Die Verbünde, die den Umbildungsprozess zu Beginn des Jahrtausends bereits mitgemacht hätten, würden besser auf das Kommende vorbereitet sein, ist sich der Bischof sicher. Hauptgrund für diese Maßnahmen ist laut Algermissen der Schwund der bekennenden Christen im Bistum und die „erbärmliche Zahl der Teilnehmer an den Sonntagsmessen“. „Das macht mich traurig“, bekennt der Bischof, „aber wir müssen diesen Schritt gehen. Auch auf Bundesebene gibt es deutliche Reduktionen bei den Gläubigen.“ Alleine der Zuzug katholischer Menschen aus dem Ausland sei dafür verantwortlich, dass die Mitgliederzahl der katholischen Kirche weittestgehend konstant bleibe. „Vor 30 bis 40 Jahren hatte die evangelische Kirche in Deutschland mehr Mitglieder. Heute sind sie etwas kleiner“, sagt der Bischof. Ein Ziel habe er während seiner Zeit als Bischof von Fulda nicht erreicht: „Ich wollte, dass die Zahl der Katholiken im Bistum nicht unter 400.000 fällt“. Laut aktueller Erhebung gibt es noch 392.951 Katholiken im Bistum Fulda.

„Wer das Problem des Mitglieder- und Einnahmeverlusts nicht sieht, ist ein schlechter Hirte seiner Diözese“, ist Algermissen überzeugt. „Gott erwartet aber dadurch auch etwas Positives von den Menschen“, sagt der Bischof. Was sich laut Algermissen aber nie ändern wird, ist die seelsorgerische Aufgabe der Priester vor Ort. „Das ist eine Grundpriorität und diese muss erhalten bleiben“, konstatiert er. Alles andere aber werde auf den Prüfstand gestellt: „Wovon müssen wir uns aus finanziellen Gründen trennen und was müssen wir verstärken?“, so Algermissen. Das Bistum Fulda sei aber gut aufgestellt und ein Nachfolger Algermissens könne „gut weitermachen“.

"Hemmschwelle ist gesunken"

Heinz Josef Algermissen ist sei 22 Jahren Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz, die ihre Herbsttagung alljährlich in Fulda abhält. Er ist auch Präsident der deutschen Sektion von „Pax Christi“. „Seit einigen Jahren ist die Aggressivität der Menschen angestiegen“, sagt der Bischof. Auch ihm gegenüber kämen Briefe mit Drohungen und verletzenden Worten an. „Die Hemmschwelle ist nicht zuletzt durch soziale Netzwerke im Internet gesunken“; bedauert der Fuldaer Oberhirte. „Kriege bereiten sich auf der ganzen Welt in den Herzen der Menschen vor“, ist Algermissen überzeugt. „Man muss vorsichtig sein, denn unter den Menschen in unserem Umfeld sind Menschen, mit denen man schlimme Dinge machen kann“ warnt er. Die Welt lebe auf einer tickenden Zeitbombe und die weltpolitische Lage habe sich in den letzten Jahren nicht verbessert. „Frieden ist in der Gesellschaft leider kein Thema“, bedauert er. Dabei sei Friede die erste Botschaft des auferstandenen Christus in der Osternacht. „Der Friede sei mit Euch“ und „Gehet hin in Frieden“, sagte Jesus zu seinen Jüngern. „Ich habe Bedenken, aber ich möchte auch nicht der Hiobsbote sein“, so Algermissen. Den Menschen von heute fehle ein Wertegefüge und eine Wertefundierung. Der erstarkende Antisemitismus seit latent immer vorhanden gewesen, komme aber aufgrund der Thesen bestimmter Parteien nun wieder zum Vorschein. Aber der Bischof ist sicher: „Es kann kein wirklich christlich denkender Deutscher Antisemit sein“, bekräftigt er. Jesus, Maria, die Jünger – alle seien Juden gewesen und daraus sei die christliche Kirche entstanden: „Die Wurzeln des christlichen Glaubens liegen im Judentum“, so der Bischof. „Man muss allerdings auch nicht alles gutheißen, was die israelische Regierung tut“, stellt er fest.

Über den Papst

Zu Papst Franziskus, den er kürzlich erneut besuchte, sagt Algermissen, dass „Franziskus mit seinem Pontifikat der Kirche seinen Stempel aufdrücken“ wird. Er sei kein liberaler Papst. „Für mich passt Franziskus in die Reihe aller anderen Päpste“, so Algermissen. Der Papst sei Südamerikaner und Jesuit, ein „sehr geistlicher Mensch“. „Seine ,Enzyklika Laudato si’ ist ein Weltwerk“, sagt der Bischof. Ein Kurswechsel mit 1,3 Milliarden Katholiken sei jedoch ein langwieriger Prozess. Was Amtsvorgänger Benedikt XVI. betrifft, so hätte der Fuldaer Oberhirte von ihm den Schritt des Papst-Rücktritts nicht erwartet. „Er ist ein ganz anderer Mensch als Franziskus. Er war ein Gelehrtenpapst“, so Algermissen, der den emeritierten Papst manchmal besucht. „Er ist auch mit 91 Jahren noch sehr kritisch“, erzählt Algermissen.

Das Bistum Fulda wird bis zu Algermissens letztem Tag von ihm geleitet und der Bischof hat vor, seinem Nachfolger eine gut aufgestellte Diözese zu hinterlassen. „Bis 12 Uhr an meinem letzten Tag als Bischof von Fulda bin ich für alles verantwortlich. „Danach bin ich für nichts mehr verantwortlich“, so Algermissen.