Bischof Algermissen im "Fulda aktuell"-Redaktionsgespräch. © Schmidt
Fulda - Heinz Josef Algermissen wollte nach dem Abitur zunächst Mediziner
werden. Doch er entschied sich um und studierte zunächst Philosophie in
Freiburg. „Irgendwann sagte einer meiner Professoren zu mir, ob nicht die
Theologie meine zentralen Menschheitsfragen besser beantworten könne“,
erzählt der Bischof beim Redaktionsbesuch in den Verlagsräumen von „Fulda
aktuell“. So sei er, der aus einer Familie mit vielen Juristen und Theologen
stammt, zum Studium der Katholischen Theologie gekommen.
Rücktrittsgesuch eingereicht
Im kommenden Jahr kann der gebürtige Trierer Algermissen, der seit Juni 2001
Bischof von Fulda ist, sein 50-jähriges Priesterjubiläum feiern. Zu seinem
75. Geburtstag hatte der Bischof – wie es in der katholischen Kirche üblich
ist –, sein Rücktrittsgesuch bei Papst Franziskus eingereicht. „Ich bin
allerdings schon seit drei Monaten 75 Jahre alt“ sagt er. Algermissen wird
auch als emeritierter Bischof in Fulda bleiben. Seine neue Wohnung liegt in
Sichtweite des Bischofssitzes im Herzen der Domstadt. „Nach meiner
Emeritierung wird die Stelle des Bischofs von Fulda zunächst vakant
bleiben“, sagt Algermissen. Ein Diözesanverwalter übernimmt dann die
Amtsgeschäfte – allerdings ohne tatsächliche Entscheidungsbefugnisse. Nach
einem mehrere Monate dauernden Procedere wird ein neuer Bischof gewählt. Bis
dahin können nach Algermissens Emeritierung bis zu zehn Monate vergehen.
„Manchmal geht es auch schneller“, sagt er. Wenn des Bischofs letzter Tag im
Amt vorbei ist, wird er sich erst einmal mit der „Sortierung des eigenen
Lebens“ beschäftigen. Der Umzug in die neue Wohnung steht dabei an erster
Stelle. „Ich habe in den vergangenen Monaten Kubikmeterweise Papier
aussortiert“, erzählt der Bischof. „In meiner neuen, kleineren Wohnung werde
ich nicht mehr soviel ansammeln“, meint er. Bücher lesen und Reisen
unternehmen – das steht noch auf seinem Programm. „Ich möchte einmal nach
Taizé fahren und habe auch einige Einladungen von afrikanischen
Bischofskollegen“, erzählt Algermissen.
Als Heinz Josef Algermissen 2001 nach Fulda kam, hatte er bereits eine
ansehnliche kirchliche Laufbahn hinter sich. 1969 empfing er im Paderborner
Dom die Priesterweihe. Er war anschließend Kaplan in Bielefeld und Meschede
und Studentenseelsorger an der Universität Paderborn. 1980 begann er als
Pfarrer, später Dechant, in Bielefeld-Schildesche, ehe er 1996 von Papst
Johannes Paul II. zum Weihbischof in Paderborn ernannt wurde. Fünf Jahre
später wurde er vom selben Papst zum Bischof von Fulda ernannt. „Wenn die
Menschen merken, dass man sie gern hat, dann kommen sie mit geöffneten Armen
auf einen zu“, erinnert sich der Bischof. Ihm sei aber auch klar gewesen,
dass manche Fuldaer dachten: „Was will denn der aus Westfalen hier?“.
Viel Überzeugungsarbeit
„Als ich nach Fulda kam, fragte ich mich: Was braucht diese Diözese von
dir?“, erinnert sich der Bischof. „Ich kam mit den Augen eines Fremden
hierher und bemerkte sehr schnell, dass Fulda anders katholisch war als
Paderborn.“ Er glaubte damals, dass „Fulda einen Aufbruch“ brauche. Doch
nachdem Bischof Johannes Dyba 2000 im Amt verstorben war, mussten nach
Algermissens Amtsantritt ein knappes Jahr später einige Entscheidungen
getroffen werden. „Ich kam in ein solide aufgestelltes Bistum“, erinnert er
sich. „Aber ich musste einige Überzeugungsarbeit leisten“, sagt Algermissen.
Man könne nichts erreichen, wenn nicht alle Mitarbeiter mitzögen. Aufgrund
der strukturellen Veränderungen in der katholischen Kirche, hier sei der
Schwund der bekennenden Christen genannt, nahm Algermissen seinen
„Pastoralen Prozess“ in Angriff, der zur Folge hatte, dass das Bistum Fulda,
das sich von Nordhessen über Marburg im Westen und Geisa im Osten bis nach
Frankfurt erstreckt, in 48 Pastoralverbünde gegliedert wurde. „Die Gemeinden
blieben selbstständig, aber arbeiteten in einem verbindlichen Bund
zusammen“.
„Das macht mich traurig“
Mit der schwindenden Zahl der Mitglieder ist auch die katholische Kirche
gezwungen, Geld zu sparen. Zum Ende seiner Amtszeit arbeitete Algermissen
etwas Ähnliches aus: „Wir müssen darüber nachdenken, welche Fusionen bis
zum Jahr 2030 gebildet werden müssen“, sagt er. Die Verbünde, die den
Umbildungsprozess zu Beginn des Jahrtausends bereits mitgemacht hätten,
würden besser auf das Kommende vorbereitet sein, ist sich der Bischof
sicher. Hauptgrund für diese Maßnahmen ist laut Algermissen der Schwund der
bekennenden Christen im Bistum und die „erbärmliche Zahl der Teilnehmer an
den Sonntagsmessen“. „Das macht mich traurig“, bekennt der Bischof, „aber
wir müssen diesen Schritt gehen. Auch auf Bundesebene gibt es deutliche
Reduktionen bei den Gläubigen.“ Alleine der Zuzug katholischer Menschen aus
dem Ausland sei dafür verantwortlich, dass die Mitgliederzahl der
katholischen Kirche weittestgehend konstant bleibe. „Vor 30 bis 40 Jahren
hatte die evangelische Kirche in Deutschland mehr Mitglieder. Heute sind sie
etwas kleiner“, sagt der Bischof. Ein Ziel habe er während seiner Zeit als
Bischof von Fulda nicht erreicht: „Ich wollte, dass die Zahl der Katholiken
im Bistum nicht unter 400.000 fällt“. Laut aktueller Erhebung gibt es noch
392.951 Katholiken im Bistum Fulda.
„Wer das Problem des Mitglieder- und Einnahmeverlusts nicht sieht, ist ein
schlechter Hirte seiner Diözese“, ist Algermissen überzeugt. „Gott erwartet
aber dadurch auch etwas Positives von den Menschen“, sagt der Bischof. Was
sich laut Algermissen aber nie ändern wird, ist die seelsorgerische Aufgabe
der Priester vor Ort. „Das ist eine Grundpriorität und diese muss erhalten
bleiben“, konstatiert er. Alles andere aber werde auf den Prüfstand
gestellt: „Wovon müssen wir uns aus finanziellen Gründen trennen und was
müssen wir verstärken?“, so Algermissen. Das Bistum Fulda sei aber gut
aufgestellt und ein Nachfolger Algermissens könne „gut weitermachen“.
"Hemmschwelle ist gesunken"
Heinz Josef Algermissen ist sei 22 Jahren Mitglied der Deutschen
Bischofskonferenz, die ihre Herbsttagung alljährlich in Fulda abhält. Er ist
auch Präsident der deutschen Sektion von „Pax Christi“. „Seit einigen Jahren
ist die Aggressivität der Menschen angestiegen“, sagt der Bischof. Auch ihm
gegenüber kämen Briefe mit Drohungen und verletzenden Worten an. „Die
Hemmschwelle ist nicht zuletzt durch soziale Netzwerke im Internet
gesunken“; bedauert der Fuldaer Oberhirte. „Kriege bereiten sich auf der
ganzen Welt in den Herzen der Menschen vor“, ist Algermissen überzeugt. „Man
muss vorsichtig sein, denn unter den Menschen in unserem Umfeld sind
Menschen, mit denen man schlimme Dinge machen kann“ warnt er. Die Welt lebe
auf einer tickenden Zeitbombe und die weltpolitische Lage habe sich in den
letzten Jahren nicht verbessert. „Frieden ist in der Gesellschaft leider
kein Thema“, bedauert er. Dabei sei Friede die erste Botschaft des
auferstandenen Christus in der Osternacht. „Der Friede sei mit Euch“ und
„Gehet hin in Frieden“, sagte Jesus zu seinen Jüngern. „Ich habe Bedenken,
aber ich möchte auch nicht der Hiobsbote sein“, so Algermissen. Den Menschen
von heute fehle ein Wertegefüge und eine Wertefundierung. Der erstarkende
Antisemitismus seit latent immer vorhanden gewesen, komme aber aufgrund der
Thesen bestimmter Parteien nun wieder zum Vorschein. Aber der Bischof ist
sicher: „Es kann kein wirklich christlich denkender Deutscher Antisemit
sein“, bekräftigt er. Jesus, Maria, die Jünger – alle seien Juden gewesen
und daraus sei die christliche Kirche entstanden: „Die Wurzeln des
christlichen Glaubens liegen im Judentum“, so der Bischof. „Man muss
allerdings auch nicht alles gutheißen, was die israelische Regierung tut“,
stellt er fest.
Über den Papst
Zu Papst Franziskus, den er kürzlich erneut besuchte, sagt Algermissen, dass
„Franziskus mit seinem Pontifikat der Kirche seinen Stempel aufdrücken“
wird. Er sei kein liberaler Papst. „Für mich passt Franziskus in die Reihe
aller anderen Päpste“, so Algermissen. Der Papst sei Südamerikaner und
Jesuit, ein „sehr geistlicher Mensch“. „Seine ,Enzyklika Laudato si’ ist ein
Weltwerk“, sagt der Bischof. Ein Kurswechsel mit 1,3 Milliarden Katholiken
sei jedoch ein langwieriger Prozess. Was Amtsvorgänger Benedikt XVI.
betrifft, so hätte der Fuldaer Oberhirte von ihm den Schritt des
Papst-Rücktritts nicht erwartet. „Er ist ein ganz anderer Mensch als
Franziskus. Er war ein Gelehrtenpapst“, so Algermissen, der den emeritierten
Papst manchmal besucht. „Er ist auch mit 91 Jahren noch sehr kritisch“,
erzählt Algermissen.
Das Bistum Fulda wird bis zu Algermissens letztem Tag von ihm geleitet und
der Bischof hat vor, seinem Nachfolger eine gut aufgestellte Diözese zu
hinterlassen. „Bis 12 Uhr an meinem letzten Tag als Bischof von Fulda bin
ich für alles verantwortlich. „Danach bin ich für nichts mehr
verantwortlich“, so Algermissen.