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1700 Jahre Judentum in Deutschland: Geprägt von Verfolgung

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Von: Christopher Göbel

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Gedenkstein bei der ehemaligen Fuldaer Synagoge
Gedenkstein bei der ehemaligen Fuldaer Synagoge © Göbel

Wie sich jüdisches Leben in Fulda und der Region seit dem Mittelalter entwickelte

Osthessen. „Die Geschichte des Judentums ist oft von Verfolgung geprägt – auch in Fulda“, sagt Dr. Michael Imhof, Lokalhistoriker aus Petersberg. „Die ersten schriftlichen Nachweise über Juden stammen aus Berichten über das Pogrom an ihnen im Jahre 1235. Noch verheerender war 100 Jahre später die Ermordung aller Fuldaer Juden während der Großen Pest 1349. Man warf ihnen Brunnenvergiftung vor. Letztlich aber ging es immer nur ums Geld“, so Imhof. Er ist Autor mehrerer Bücher zu dem Thema und arbeitet gerade an einer weiteren Publikation über „400 Jahre Judentum in der Rhön“.

Als Spezialist auf diesem Gebiet hält er Vorträge in Schulen und wurde vor Kurzem mit dem „Obermayer German Jewish History Award“ ausgezeichnet. Um das Jahr 1575 haben erste jüdische Familien in Fulda eine Judenschule und die Synagoge errichtet. Diese wurde 1938 bei den Pogromen zerstört. In der Straße „Am Stockhaus“ in der Innenstadt befindet sich noch die ehemalige Mikwe Frauenbad). Das heutige Zentrum der Jüdischen Gemeinde liegt an der Von-Schildeck-Straße. Heute gehören 363 Menschen der jüdischen Gemeinde Fulda an.

„Im Jahr 1671 wurden die Juden aus Fulda vertrieben. In der Barockzeit durften sich weder jüdische Familien ansiedeln“, so Imhof. Ihr Alltag wurden durch „Juden-Ordnungen“ geregelt, die eher von Verboten als von Rechten bestimmt gewesen seien. Die bürgerlich-rechtliche Gleichstellung erfolgte erst im 19. Jahrhundert, die Integration war laut Imhof „zähflüssig“. Aktives und passives Wahlrecht erhielten die Juden in Deutschland erst mit der Reichsverfassung von 1871. „Die Juden hatten eine eigene Volksschule, aber auch die beiden Fuldaer Gymnasium hatte einen hohen Anteil an jüdischen Schülern“, erläutert der Lokalhistoriker.

Ein „schleichender Antisemitismus“ habe sich in der Region schon vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt, in Eiterfeld schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts. „Es gab sehr brutale Übergriffe auch auf dem Land, beispielsweise in Burghaun, Steinbach und Eiterfeld. In der Rhön war das nicht so“, sagt Imhof. „Die Chancen, die sich ihnen im 19. Jahrhundert durch die rechtliche Gleichstellung und den industriellen Fortschritt boten, nutzten viele zum Aufstieg ins Bürgertum und wurden respektierter Teil in der Gesellschaft. Die meisten Juden verstanden sich jetzt als deutsche Patrioten, trafen jedoch vielfach auf Neid und Vorurteile ihrer Umgebung“, erläutert Dr. Heinrich Nuhn aus Rotenburg an der Fulda, der sich ebenfalls als Lokalhistoriker intensiv mit der Thematik beschäftigt.

„In der Region fanden antisemitische politische Parolen große Zustimmung, sodass 1893 im Wahlkreis Hersfeld-Hünfeld- Rotenburg mit Ludwig Werner der Kandidat der Antisemitischen Volkspartei in den Berliner Reichstag gewählt wurde, aus dem er erst 1918 mit dem Ende des Kaiserreichs ausschied“, so Nuhn. Zu Zentren jüdische Ansiedlung außerhalb von Fulda entwickelte sich im 18. und 19. Jahrhundert das Hünfelder Land – vor allem Burghaun, Mansbach, Rhina – und der Raum Rotenburg-Eschwege, der von 1627 bis 1834 eine Teilselbständigkeit innerhalb der Landgrafschaft Hessen-Kassel erworben hatte“, sagt Nuhn.

Neue jüdische Gemeinde

Im Zweiten Weltkrieg wurde etwa die Hälfte der jüdischen Bevölkerung in Fulda ermordet. Zu dieser Zeit gehörte ein Großteil der Juden in der Region Fulda zur Mittel- und Oberschicht. Im Jahr 1980 lebten laut Imhof nur wenige Juden in Fulda. „Aufgrund der Bemühungen des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Wolfgang Hamberger war es möglich, wieder eine neue jüdische Gemeinde in Fulda anzusiedeln“, so Imhof. Viel Wissenswertes über die Geschichte des Judentums in Fulda ist in seinem Buch „1000 Jahre Juden in Fulda“ nachzulesen.

Die Geschichte des Judentums in Deutschland ist 1.700 Jahre alt. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier erinnerte kürzlich in einem Festakt in der Kölner Synagoge an das Festjahr. „Wenn ich mir als Bundespräsident für dieses Festjahr etwas wünschen darf, dann nicht nur ein klares Bekenntnis, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Teil von uns sind, ein Teil unseres gemeinsamen Wir, sondern dass wir denen entschieden entgegentreten, die das noch – oder wieder - infrage stellen“, sagte Steinmeier. „Die Bundesrepublik Deutschland ist nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen“, sagte der Bundespräsident.

„In der gesamten Bundesrepublik leben derzeit schätzungsweise 200.000 Juden, aber nur etwas über die Hälfte von ihnen sind in den über einhundert jüdischen Gemeinden organisiert, die ein weit gefächertes religiöses Spektrum aufweisen“, sagt Heinrich Nuhn.