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Klartext: Gegen die Kunst ?!

Erstellt: Aktualisiert: 

Von: Christopher Göbel

Redakteur Christopher Göbel zum Vorgang des Intendanten-Rauswurfs während der laufenden Festspielsaison in Bad Hersfeld.

Hat der Bad Hersfelder Bürgermeister Thomas Fehling bereits seit seiner Wahl den ein oder anderen Fauxpas begangen, so hat der dem nun (vorläufig) die Krone aufgesetzt: Mit der fristlosen Kündigung des Intendanten Holk Freytag hat Fehling sich und vor allem der Festspielstadt keinen Gefallen getan.

Er schiebt zwar eine "Mehrheitsentscheidung" des Magistrats vor, doch weiß jeder, der sich in den vergangenen Jahren mit der Thematik beschäftigt hat, dass der Bürgermeister eine Fehde mit dem Intendanten austrägt. Dass er nun im Magistrat eine Mehrheit – gegen die Stimmen von SPD und Grünen übrigens – gefunden hat, dürfte ihm selbst Genugtuung geben. Der Stadt jedoch dürfte es einen möglicherweise irreparablen Schaden zufügen. Denn Freytag – so schwierig er als Mensch und Künstler auch sein mag – hat die Festspiele seit 2010 auf ein hohes Niveau gebracht. Die überregionalen Kritiken der diesjährigen Saison sind durchweg positiv, die Zuschauer strömen und der Ruf der Stadt als "Festspielstadt" wurde gefestigt.

Es ist fast noch als "Glück" zu bezeichnen, dass dieser Schritt kurz vor Ende der Spielzeit getan wurde. Elke Hesse, die von 2006 bis 2009 Intendantin der Festspiele war, kommentierte den Sachverhalt auf "Facebook" mit folgenden Worten: "In Bad Hersfeld agiert man ganz offensichtlich gegen die Kunst". Das scheint so zu sein. Kunst lässt sich nunmal nicht in Euro und Cent bewerten. Das ist das Los der Künstler und der Kunstschaffenden. Fast überall unterliegen die freien Denker peniblen Geldmenschen, die nur auf das Stadtsäckel achten. Kultur kostet nun einmal Geld. Aber wenn Kosten gespart werden, gehen auch Einnahmen zurück. Unbekannte Schauspieler in Billigproduktionen mit No-Name-Regisseuren mag niemand sehen. Kostengünstig zusammengeschusterte Bühnenbilder und fadenscheinige Kostüme auch nicht.

Soweit ich informiert bin, ist die Begründung des Rausschmisses – nämlich dass Freytag keinen Plan vorgelegt hätte, in der Spielzeit 2015 400.000 Euro einzusparen – gar nicht stichhaltig. "Bereits vor der entscheidenden Sitzung des Magistrats hat Holk Freytag einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt, in dem die von Ihnen erzwungenen 400.000 Euro Einsparmaßnahmen u.a. durch die Auswechslung einer Neuproduktion und die Hereinnahme zweier Wiederaufnahmen finanziell vollständig erfüllt waren. Eine fristlose Kündigung ohne politische Dialogbereitschaft und ohne juristische Basis kann deshalb nur als persönlicher Angriff auf Holk Freytag gewertet werden" schreiben Ulrich Khuon (Vorsitzender der Intendantengruppe des "Deutschen Bühnenvereins" und Intendant des "Deutschen Theaters Berlin") und Holger Schultze (Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses des "Deutschen Bühnenvereins" und Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg) in einem offenen Brief an Fehling. Bisher hat der noch nicht darauf reagiert.

Was ich bewundere, ist die Tatsache, dass sich das Festspiel-Ensemble "wie ein Mann" hinter Freytag stellt und mit Unterschriftenaktionen direkt rund um die Stiftsruine und anderen Maßnahmen auf sozialen Netzwerken seine Unterstützung für ihren Intendanten bekundet. Hut ab!

Die "Bad Hersfelder Festspiele" sind ein riesiger Apparat, der viel kostet, aber der Stadt auch viel einbringt. Nicht zuletzt den Restaurants, Hotels und dem Einzelhandel. Sollten die Festspiele ihren guten Ruf verlieren – und darauf scheint der Bürgermeister hinzuarbeiten – dann wird das Städtchen bald eines von vielen unbedeutenden in Deutschland sein, in dem eine Ruine immer weiter verfällt. Das kann in Bad Hersfeld niemand wollen – nicht einmal Bürgermeister Fehling.